Ankunft

Jetzt ist es da.
Dieses Gefühl, dass die Kriege, die wir täglich in den Medien sehen, nicht irgendwo da draußen, ganz weit weg sind.

Als ich 2007 auf Teneriffa ankommende Flüchtlingsboote dokumentierte, erschien mir das Elend noch nicht so nah wie heute, wenige Tage vor der Ankunft von rund 75 Vertriebenen in Ottensheim.
Denn jetzt steht nicht mehr nur das Symbol für die Gestrandeten an Europas Grenzen in unserem Ort, jetzt spült es auch die Menschen bis hierher, ganz in die Nähe des Flüchtlingsbootes auf dem Hochwasserdamm.
Weltweit sind laut UNHCR rund 60 Millionen Menschen auf der Flucht:
Menschen, die seit Monaten oder Jahren auf der Suche nach einem sicheren Ort sind, manche zu Fuß über tausende Kilometer, häufig Männer, die ihre Häuser, ihre Familien, ihre Geschäfte zurücklassen mussten, in der Hoffnung Frauen und Kinder auf einem sicheren Weg nachholen zu können.
Die EU bietet auch für Kriegsflüchtlinge keine legale Methode für den Antrag auf Asyl an:
Der einzige Weg ist die lebensgefährliche illegale Einreise, da ein Antrag nicht auf einer Botschaft im Ausland gestellt werden kann.

Ich weiß nicht, welchem Umstand ich es zu verdanken habe, hier in dieser heilen Welt geboren worden zu sein, die vor nicht allzu langer Zeit in Schutt und Asche lag. Die Zerstörung Europas durch den Zweiten Weltkrieg war so nachhaltig, dass noch in den 50-er Jahren bis zu 14.000 Menschen täglich die Deutschen Häfen in Richtung Amerika, Kanada, Argentinien und Brasilien als Wirtschaftsflüchtlinge verliessen. Niemand hat sie zurückgeschickt.

Nun kommen sie zu uns, diese Menschen, die uns den Schrecken jener Kriege, die uns so fern waren, plötzlich hautnah überbringen.

Jetzt ist sie da, diese Betroffenheit, denn wir sind ein Teil jener globalen Zusammenhänge, die heute komplexer und undurchschaubarer denn je sind.

Willkommen!

( Susanne Posegga, 17. Juli 2015 )